Von der HSG zum USA-Team

Ehemalige Grün-Blaue mit US-Damen auf dem Weg zu Olympischen Spielen

Hendrik Schultze hat bei der HSG Siebengebirge alles erlebt: Mit zwölf Jahren mit dem Handball angefangen, hat er alle Jugendmannschaften als Torwart durchlaufen, als junger Trainer hat er Kids von der E- bis zur A-Jugend begleitet. Gewissermaßen waren dies die ersten Schritte einer typischen handballerischen Bilderbuchkarriere, die aber mittlerweile weit jenseits des Siebengebirges fortgeschrieben wird.

Heute ist Hendrik Teil einer Nationalmannschaft. In Boston geboren und so mit einer amerikanischen Staatsbürgerschaft ausgestattet, wurde er 2019 erstmals in den A-Nationalkader der USA berufen. Als Regionalligaspieler im Kader der Siebengebirgler wäre er ohne einige Zufälle wohl nicht auf den Radar der amerikanischen Nationalmannschaft gekommen. Doch in Dormagen kreuzten sich ihre Wege. Hendrik traf mit Jamal Naji, mittlerweile Handball-Bundesliga-Trainer des Bergischen HC, im Dormagener Sportcenter auf das US-Nationalteam, welches dort gerade ein Trainingscamp abhielt. Eine Verbindung zu ihrem Trainer wurde hergestellt und der damals 22-jährige Regionalliga-Torwart der Grün-Blauen wurde zum Nationalspieler der Vereinigten Staaten von Amerika.

All in: Für die Grün-Blauen war Hendrik Schultze auch in der Regionalliga im Einsatz – wie hier im Derby gegen den TSV Bonn rrh.

Inzwischen ist Hendrik vom aktiven Spieler ins Traineramt gewechselt und möchte seine Expertise erweitern: „Ich habe bei der HSG alle Altersklassen von der E-Jugend bis zur A-Jugend trainiert. Ich durfte auch die Torhüter der ersten Mannschaft punktuell unterstützen. Jetzt möchte ich das, was ich bei der HSG gelernt habe, auf der internationalen Bühne unter Beweis stellen und den Athleten der US-Nationalmannschaft helfen, ihr volles Potenzial zu entwickeln.“ Seit dem Sommer 2022 ist er Torwart-Trainer und Co-Trainer der US-Frauennationalmannschaft und bereitet die Handball-Damen auf die Qualifikation für die Panamerikanischen Spiele 2023 in Chile vor, dem Äquivalent in Nord- und Südamerika zur Europameisterschaft.

Seine Motivation für die neue Herausforderung zieht er aus seinen Erfahrungen in der heimischen Sunshine Arena. „Du fühlst dich elektrisiert, pures Adrenalin, wenn dir knapp 1000 Menschen zujubeln und zusammen die Mannschaft auf dem Spielfeld anfeuern. Es ist unfassbar, was ich hier am Sonnenhügel mit der HSG erleben durfte, besonders in den Derbys gegen Bonn und Rheinbach oder bei den Topspielen gegen den LSC Köln damals. Diese Leidenschaft und Eindrücke einmaliger Momente will ich mittragen in die USA und die Menschen auch dort für Handball begeistern.“

Full House: Die einmalige Atmosphäre in der “Sunshine Arena” ist für Hendrik Schultze (im Hintergrund im schwarzen Torwart-Trikot) eine prägende Erinnerung an die aktive Zeit im Siebengebirge.

Trainieren darf der Nachwuchstrainer in der Frauennationalmannschaft auch ein ihm bekanntes Gesicht: seine jüngere Schwester Karen ist ebenfalls Teil des Teams. Wie ihr Bruder in Boston geboren, besitzt auch sie die doppelte Staatsbürgerschaft. Als Eigengewächs der HSG Siebengebirge geht die wendige Kreisläuferin seit der Saison 2022/2023 in Österreich für den 41-fachen Rekordmeister und 10-fachen Champions-League-Sieger, Hypo NÖ aus Wien, auf Torejagd.

HSG & USA: Hendrik und Karen Schultze haben sich mit dem Team der US-Handballerinnen große Ziele gesetzt.

Der Handballsport genießt in Amerika jedoch noch nicht eine vergleichbare Popularität wie in Deutschland oder Österreich. In der Breite interessieren sich die Amerikanerinnen und Amerikaner für die traditionellen Top 3 ihrer Ballsportarten: American Football, Baseball und Basketball. Um den Handball, näher gefasst, den Damenhandball im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ voranzubringen, arbeitet der Verband USA Team Handball viel auf internationaler Ebene mit Verbänden großer Handballnationen zusammen. Denn die Amerikanerinnen stehen auf dem Weg zu ihrem erklärten Ziel, die Olympischen Spiele 2024 und 2028, vor großen Herausforderungen. Mit nur wenigen Sponsoren und einem relativ kleinen Budget kann der US-Verband nicht optimal arbeiten: die Nationalspielerinnen müssen ihre Reisekosten selbst tragen und der Trainerstab ist nicht hauptamtlich angestellt.

Doch die Schultze-Geschwister und ihr US-Team lassen sich nicht entmutigen und können erste Erfolge verzeichnen. Der französische Handballverband unterstützt das amerikanische Projekt und hat das Team nach Paris ins „Maison du handball“ eingeladen – dem absoluten Handball-Hochleistungszentrum aller französischen Nationalmannschaften.

Go for it: das US-Team hatte in Paris im “Maison du handball” beste Trainingsmöglichkeiten.

Der Fokus richtet sich jetzt auf die bevorstehenden Panamerikanischen Qualifikationsspiele gegen Kanada am 10. und 13. November 2022. Die US-Frauen stehen vor einer riesigen organisatorischen Aufgabe, damit sie diese Spiele überhaupt antreten können. Die wenigen finanziellen Mittel reichen kaum von der Bezahlung des Austragungsortes bis hin zur Unterstützung der Athletinnen bei ihren Reisekosten. Das US-Damen-Team hat eine Crowdfunding-Seite gestartet, wo man die Amerikanerinnen finanziell unterstützen kann.

Trotz dieser Mammutaufgabe bleibt Hendrik zuversichtlich: „Mit starker Unterstützung durch Sponsoren, Einzelpersonen oder Unternehmen, können wir unsere Geschichte fortschreiben und den Handball in den USA größer machen“. Die US-Frauen spielen gegen Kanada um den letzten freien Startplatz bei den Panamerikanischen Spielen 2023. Dort gilt es, sich für die Olympischen Spielen 2024 in Paris zu qualifizieren. Damit würden die US-Damen nicht nur ihrem großen Ziel einen Schritt kommen – sondern auch Karen und Hendrik das erste Turnier ganz in der Nähe ihrer alten Handball-Heimat im Siebengebirge erleben.

Die komplette Story mit den neuesten Entwicklungen des USA Team Handball erscheint im Saisonmagazin HSG SIEBENER im Winter 2022.

Fenja Horstmann