Redakteurin Marlena Busch vom Bonner General-Anzeiger stellt heute zwei ganz besondere, sportliche Brüder vor: Tim und Jens Schlösser aus unserer Ersten Herrenmannschaft.
Marlena Busch, General-Anzeiger Bonn
Privat verstehen sie sich blind, beruflich führen ihre Wege in entgegengesetzte Richtungen: Jens Schlösser und sein drei Jahre jüngerer Bruder Tim spielen bei der HSG Siebengebirge/Thomasberg im Rückraum. Der 2,02 Meter große Jens ist Berufssoldat, Tim (1,95 Meter) Bankkaufmann.
Die Brüder haben schon klein angefangen. In Bockeroth (Königswinter) aufgewachsen, war es ihre Mutter, die sie zum dortigen Handballverein brachte. “Mit fünf Jahren waren wir beide etwas hibbelig, so dass unsere Mutter meinte, dass wir irgendeinen Sport machen müssen. Und da sie nicht wollte, dass wir Fußball spielen, weil sie keine Lust auf den ganzen Schmutz hatte, hat sie uns zum Handball geschickt”, erzählt der 28-jährige Jens über den Handballstart beim HSV Bockeroth. Als sich in der B-Jugend die Mannschaft im Dorfverein auflöste, wechselten sie zur HSG Siebengebirge/Thomasberg, wo sie gemeinsam in der ersten Herrenmannschaft spielen.
“Gemeinsam” ist außerhalb des Handballfeldes ein Adjektiv, das auf die Brüder eher weniger zutrifft. So fallen einem auf Anhieb doch mehr Attribute ein, die einen Soldaten und einen Bankkaufmann voneinander unterschieden: Während der eine – zumeist bewaffnet mit schwerer Munition – im Freien gegen Gefahren von außen kämpft, tritt der andere – ausgestattet mit Kugelschreiber und Wirtschaftsexpertise – in einem Büro der Finanzkrise entgegen.
Tim Schlösser hat sich für den Bürojob entschieden. Nach Abitur und einem Freiwilligen Sozialen Jahr beim Sportbund NRW hat er im Jahr 2011 seine Ausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen. “Ich würde mich selbst eher als Minimalisten bezeichnen. Deshalb hätte ich mir auch nie vorstellen können einen handwerklichen Beruf zu ergreifen oder einen Job bei dem ich jeden Tag Sport machen müsste”, beschreibt sich der 25-Jährige, der heute als Kundenberater in Troisdorf arbeitet und nebenbei ein Studium zum Sparkassenfachwirt absolviert: “Bei Jens ist es genau das Gegenteil: Der kann nicht den ganzen Tag ruhig sitzen und könnte sich nie vorstellen im Büro zu arbeiten.”
Während sich Langschläfer Tim in seiner Beueler Wohnung noch mehrmals umdrehen kann, bevor er um 9 Uhr in der Bank sein muss, ist sein Bruder bereits seit 5.30 Uhr auf der Autobahn von Bornheim in Richtung Hilden (Düsseldorf) unterwegs. Dort beginnt um 6.30 Uhr sein Feldjäger-Dienst bei der Militärpolizei der Bundeswehr. Neben Aufgaben wie Verkehrs- und Fahrzeugkontrollen und Überprüfungen an Bahnhöfen, gehört auch Sport fest zu seinem Beruf. “In unserem Dienstplan ist dreimal in der Woche Sport befohlen. Das gehört zum Job dazu”, sagt Jens, der sich für seinen dritten Afghanistan-Einsatz Ende des Jahres in Form hält: “Meine Ausrüstung, die ich dort täglich trage, wiegt 40 kg. Da muss ich schon fit sein.”
Gehen die Lebenswege in beruflicher Hinsicht auseinander, so laufen die sportlichen Wege auf dem Handballfeld zusammen. Während der Saison absolvieren Tim und Jens gemeinsam mit ihrer Mannschaft drei Trainingseinheiten in der Woche und ein Spiel am Wochenende. Dabei gilt für beide das Motto “aufgeben gibt es nicht”. Tim sagt: “Wir sind beide unglaublich ehrgeizig. Es würde nie passieren, dass einer von uns vom Trainer ausgewechselt werden möchte.” Gemeinsam haben die Brüder außerdem ihre Angriffsposition.
Beide spielen im rechten Rückraum, manchmal auch auf der linken Seite, so dass sie selten gleichzeitig im Angriff eingesetzt werden und nur in der Abwehr zusammen auf dem Feld stehen. Trotz der ähnlichen Spielanlagen, sehen sich die Brüder aber nicht als Konkurrenten. Eher freue man sich für den anderen, wenn er zum Einsatz kommt und besonders, wenn man dann doch mal gemeinsam im Angriff steht. “Man weiß einfach, wie der andere sich bewegt und was er als nächstes macht”, sagt Jens. “Ich könnte die Augen zumachen und den Pass spielen und mir trotzdem sicher sein, dass Tim den Ball fängt.”